Sehnsucht aus der Wüste
- Tim Kretschmer-Schmidt
- 9. Dez. 2018
- 4 Min. Lesezeit
II. Sonntag im Advent, 9.12.2018 Kirchengemeinde Blankenfelde Predigttext: Jesaja 35,1-10
Dazu:
Friedrich Spee "O Heiland, reiß die Himmel auf" (1622, EG 7)
Fulbert Steffensky zur Hoffung
und
"Es ist Zeit, dass du kommst" von Kristin Jahn
Advent.
Sehnsüchte brechen auf in dieser Zeit des Erwartens
Leuchten auf in der langen Dunkelheit kurzer Tage
Nach wirklicher Nähe, nach tiefem Glück, nach echter Liebe
So wie nur Gott sie gibt.
O Heiland reiß die Himmel auf Herab, herab vom Himmel lauf! Reiß ab vom Himmel Tor und Tür Reiß ab, wo Schloss und Riegel für!
O, wenn doch dieses Jahr alles anders werden würde
Wenn all die Lebkuchen neben ihrer Süßigkeit
uns wirklich Kraft gäben
Wenn all die Kerzen neben ihrem Licht
auch unsere Herzen endlich wärmen würden
Wenn die Botschaft der Engel neben all ihrer Vertrautheit
unser Leben wirklich erreichen könnte
„Fürchtet Euch nicht!“
Advent.
Hoffnung wird wach in dieser Zeit
nicht nur für uns, sondern auch für unsere arge Welt.
Nach dem Frieden auf Erden, der uns verheißen wird.
Hier leiden wir die größte Not vor Augen steht der ewig Tod. Ach komm, führ uns mit starker Hand vom Elend zu dem Vaterland.
O, wenn es doch dieses Jahr endlich ein Ende haben würde,
Mit den 20 Kriegen und 222 bewaffneten Konflikten auf dieser Welt
Mit weltlichem Populismus und religiösem Fundamentalismus
Mit dem Hass auf Geflüchtete und all dem, was uns fremd erscheint.
„Frieden auf Erden den Menschen guten Willens!“
Wann wird‘s denn endlich geschehen bei uns?
Wir stehen
Mit dem Füssen auf der Erde voller Landminen
Mit dem Kopf im Himmel der Klimaerwärmung?
Ich bin kein Hellseher
Daher kenn ich den Zeitpunkt nicht.
Aber ich höre die Worte der Sehnsucht,
der Hoffnung
aus uralter Zeit immer noch
immer wieder:
Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! Sagt den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.« Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande. Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen. Und es wird dort eine Bahn sein und ein Weg, der der heilige Weg heißen wird. Kein Unreiner darf ihn betreten; nur sie werden auf ihm gehen; auch die Toren dürfen nicht darauf umherirren. Es wird da kein Löwe sein und kein reißendes Tier darauf gehen; sie sind dort nicht zu finden, sondern die Erlösten werden dort gehen. Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.
Aus der Sehnsucht der Wüste erwächst Jesajas Hoffnung:
Gott macht sich auf in seine gequälte Schöpfung.
Die Gewaltigen vom Thron zu stürzen
und die Niedrigen zu erheben.
Gott macht sich auf
und geht in die Wüste
geht mit uns in unsere Wüste
in die unerträgliche Hitze unserer Verletzungen
in der kalten Nächten unserer Trauer
O Gott, ein Tau vom Himmel gieß im Tau herab, o Heiland, fließ. Ihr Wolken brecht und regnet aus Den König über Jakobs Haus.
Es darf nicht der Platzregen sein, der aufs trockene kommt
Denn sonst wird das Land überschwemmt.
Nur ein Tau darf es sein, sanfter Tropfen um sanften Tropfen.
So mag nicht alles sofort blühend werden in diesem Advent
Aber vielleicht wird die Wüste ein wenig bunter Jahr für Jahr. So mag nicht jeder Weg mit Gott gleich eben und leicht werden
Aber vielleicht wird der Weg ein wenig sichtbarer Jahr um Jahr.
Der Weg durch die Wüste
wo wir sind und wo Gott ist
und unser gemeinsames Sehnen nach Heilung und Heil.
Vielleicht ist es so, dass wir mit Jesaja in der Wüste bleiben sollen,
weil nur hier unsere Sehnsucht am Leben bleibt
Sehnsucht, die uns ganz nah hält bei dem,
was Advent ausmacht: der Hoffnung.
Einer Hoffnung, die zwar keinen guten Ausgang der Dinge garantiert,
aber einer Hoffnung, die uns vertrauen lässt,
dass es sinnvoll ist, was wir tun.
Hoffnung als Widerstand gegen Resignation, Mutlosigkeit und Zynismus.
Diese Hoffnung kann lesen.
Sie vermutet in den kleinen Vorzeichen das ganze Gelingen.
Sie stellt nicht nur fest, was ist.
Sie ist eine wundervolle untreue Buchhalterin,
die die Bilanzen fälscht
und einen guten Ausgang des Lebens behauptet,
wo dieser noch nicht abzusehen ist.
Hoffen lernen wir nur dadurch,
dass wir so handeln, als sei Rettung möglich.
Liebe Schwestern und Brüder,
lasst uns Menschen der Wüste bleiben.
Weil nur die Menschen der Wüste
Menschen sind, die Sehnsucht und Hoffnung in all ihrer Tiefe erfahren. Und die Wüste ist schön, weil es Brunnen in ihr gibt.
Brunnen, die uns einladen, Platz zu nehmen.
Brunnen, in denen die Wasser weiter steigen Jahr um Jahr.
Jetzt schon bringen sie den Feigenbaum zum ausschlagen
und alle anderen Bäume auch.
Bis die kommende Welt anbricht
bleiben wir also in der Wüste
immer wieder unterwegs
immer wieder im Kreis um den Brunnen unter den Bäumen.
Bis die kommende Welt anbricht
wollen wir uns zuraunen uns die alten Verheißungen
lasst uns singen die Lieder von Sehnsucht und Hoffnung
aus allen Zeiten und Ländern.
Und lasst uns murmeln Jahr um Jahr: Es ist Zeit, dass du kommst
mach dich auf zu uns
zeig dich endlich im fremden Kind
lehr uns die Sprache der Liebe ohne Verstehen
Verführ uns, im Fremden den Bruder, die Schwester zu sehen
komm und setz dich mit uns an den Tisch
leg deine Hand sanft auf unsere drauf
und lehr uns dein Bitten und Teilen
Es ist Zeit,
mach dich auf und geh mit uns über die Grenze fort
nimm die Angst aus dem Herzen: mein Land zuerst
Der Mensch zuerst! Das war dein Wort.
Komm mach es wahr und trag uns fort,
zeig uns dein Land, wo Honig fließt
wo keiner der Liebe den Hahn abdreht
wo die Angst weg ist und das Herz wieder blüht.
Es ist Zeit, die Lichter leuchten schon
die Hoffnung ist schon entzündet.
Amen.
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