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Ein glänzendes Geheimnis

  • Autorenbild: Tim Kretschmer-Schmidt
    Tim Kretschmer-Schmidt
  • 25. Dez. 2018
  • 3 Min. Lesezeit

Christfest, am 25. Dezember 2018 Evangelische Kirchengemeinde zu Französisch Buchholz

Predigttext: Evangelium nach Johannes 1,1-9


Liebe Schwestern und Brüder,

Gnade sei mit Euch und Friede von dem,

der da war und der da ist

und der da kommen wird. Amen.


So lange ich denken kann,

bringt mir das Christkind Geschenke.

Niemand aus der Familie oder der Nachbarschaft hat es je gesehen

aber die Erwachsenen raunten es den Kindern zu:

ein Kind in einem langen weißen Kleid

mit einem leuchtenden Gesicht.

Diese geheimnisvolle Gestalt schmückte den Baum

hörte meinen Gedichten zu,

brachte Geschenke

läutete das feine Glöckchen zur Bescherung,

verschwand gerade dann,

als die Tür zum Weihnachtszimmer geöffnet wurde.


Auch wenn ich später ahnte und dann wusste,

dass meine Eltern den Baum schmückten

und die Geschenke kauften:

Das Christkind

hinterließ einen dauerhaften Glanz in meinem Herzen,

bis heute.


Bis heute weiß ich:

Da glänzt ein Geheimnis in der Welt

Verborgen hinter Tannengrün und Lichterketten

Hinter Festtagsbraten und Geschenkpapier

Hinter all dem, was wir erfassen können mit unseren Sinnen.

All unsere Rede erreicht nicht dieses Geheimnis

All unsere Melodien vermögen es nur zu umsingen

Doch wer kann es wirklich erfassen, begreifen?


Da glänzt ein Geheimnis in der Welt

Verborgen hinter Geburt im Stall

Hinter Hirtenbesuch und himmlischen Scharen

Hinter Sterndeuterreisen und Mordkomplott.

Alle Verortung in der Geschichte erreicht dieses Geheimnis nicht

Alle Geschichten vermögen es nur zu umranken

Doch wer kann es wirklich erzählen, vermitteln?


Einer versucht es anders als andere

Der Evangelist Johannes fängt an

am Anfang von allem, was war.


Am Anfang war das Wort

und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.

Das Wort war im Anfang bei Gott.


Auch das Wort ist nicht Gott,

der Unterschied bleibt bestehen.

Gott wird nicht zum Wort

Doch er verbirgt sich im Wort

das im Anfang Himmel und Erde erschuf.

Im Wort, das erklingt: „Es werde Licht.“ Und es ward Licht.

Und siehe, es war sehr gut.

So sind alle Dinge durch das Wort gemacht,

und ohne das Wort ist nichts gemacht, was gemacht ist.

So ist der Anfang der Freiheit gemacht durch das Wort seines Namens

„Ich bin der ‚Ich bin da‘!“

So ist der Bund geschlossen durch die Worte der Weisung.

„Du sollst...“ und „Du sollst nicht...“

Dem Menschen wird wieder und wieder gesagt: „Steh auf und fürchte dich nicht!“

Im Wort war das Leben,

und das Leben war das Licht der Menschen.

Und das Licht scheint in der Finsternis,

und die Finsternis hat's nicht ergriffen.


Nicht die Finsternis des Exils

nicht die Finsternis der Verfolgungen und Pogrome

Nicht die Finsternis der Shoah.

Das Licht scheint in der Finsternis.

Das ist der eine Anfang, der immer noch strahlt

fürs auserwählte Volk Israel.


Aus dem Wort für Israel aber

erwächst ein anderer Anfang

für uns, für die Völker der Welt.


Dies ist das Geheimnis von Weihnachten

für den Evangelisten Johannes

Verborgen hinter einer Geburt im Stall und Besuch von Hirten

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.

Das Fleisch ist nicht Gott,

aber Gott verbirgt sich im Fleisch

Im Fleisch von Jesus, dem Menschen,

geboren von einem Menschen.

So spricht Jesus als Mensch göttliches Wort

„Ich bin da...“ und „Du sollst und Du sollst nicht!“

Und „Steh auf und fürchte dich nicht!“


Das Licht scheint in der Finsternis,

und die Finsternis hat's nicht ergriffen.


Nicht die Finsternis des Verrats,

nicht die Finsternis von Gethsemane und Golgatha.

Die Finsternis des Grabesnicht.

Im Wort blieb das Leben,

und das Leben ist das Licht der Menschen.


Doch es gab Menschen, von Gott gesandt,

Die wurden gesandt zum Zeugnis,

damit sie von dem Licht zeugen,

auf dass die Menschen durch diese Gesandtensahen,

dass Gott es gut meint mit dem Leben aller seiner Geschöpfe.


Die Hirten, die Gott lobten, für alles, was sie gesehen hatten

Die Sterndeuter, die auf sicherem Wege nach Hause gelangten

Die sind unsere Väter und Mütter im Glauben.

Die raunen uns Kindern es immer noch zu:

„Er ist da – steht auf und fürchtet Euch nicht!

Wir hörens und ahnens und raunen und versuchens zu singen.

Könnens doch nie ganz fassen,

und sagens doch immer weiter und weiter.


So lange ich denken kann,

bringt mir das Christkind Geschenke.

Auch wenn der Festtagsbraten genossen

und das bunte Geschenkpapier, das duftende Tannengrün,

die strahlenden Lichterketten weggeräumt sind,

weiß ich:


Es bleibt ein Geheimnis in der Welt

leuchtet weiterweit übers Jahr.

Wir haben keine Macht

über dieses Geheimnis der Menschwerdung Gottes

Doch dieses Geheimnis verleiht uns die Macht, Gottes Kinder zu sein.

Erzählerinnen, Erzähler des Wortes,

das die arge Welt neu machen soll

Sängerinnen und Sänger eines Liebes-Lebens-Liedes,

das Mauern von Angst und Hass durchbricht

Anbetende und Für andere Betende

Widerständige gegen Resignation, Mutlosigkeit und Zynismus.

Hoffende wider aller Hoffnung,

Versöhnung und Frieden stiftende inmitten von Streit und Krieg

Und in allem: Liebende.


Das Christkind meiner Kindheit

hinterließ einen dauerhaften Glanz in meinem Herzen,

bis heute.

Bis heute weiß ich:

Wir sind Abglanz vom Licht der Welt

und die Finsternis wird uns nicht erfassen.


Amen

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