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Die Rückkehr der Könige

  • Autorenbild: Tim Kretschmer-Schmidt
    Tim Kretschmer-Schmidt
  • 6. Jan. 2019
  • 4 Min. Lesezeit

Sonntag Epiphanias, 6.1.2019 Evangelische Kirchengemeinde zu Französisch Buchholz Der letzte Teil der Predigt ist ein Zitat von Nico Szameitat, Pfarrer an der St. Ansgar Kirche zu Oldenburg


Das Sturmtief „Knuth“ schien schon am zweiten Weihnachtsfeiertag durch zahlreiche Wohnzimmer gezogen zu sein und hat viele Weihnachtsbäume auf die Straße geweht. Spätestens nach dem 6. Januar nimmt die Zahl der Christbäume im Ruhestand ganz rapide zu. Unser Hund findet das toll – plötzlich ganz viele Bäume mehr auf der Straße. Jeder riecht ein wenig nach anderem Wohnzimmer, nach anderem Festtagen. Mit dem Einräumen der Strohsterne und Krippenfiguren in die Weihnachtskiste wird auch bei uns der Koffer gepackt für den Weg aus der weihnachtlichen Oase zurück in die Wüste des Lebens.

So trage auch ich den leeren Tannenbaum auf die Straße, bringe die Weihnachtskiste in den Keller. Als alles weggeräumt ist, lege ich mich aufs Sofa. Der Duft nach Nadelwald liegt noch in der Luft. Das Schnarchen des Hundes neben mir wiegt mich in einen wohligen Halbschlaf, aus dem mich die Türklingel weckt. Durch die Sprechanlage tönt eine wohlbekannte Stimme „Wir sind wieder zurück!“ Der Öffner summt und Schritte kommen die Treppe hoch.

„Wo sind die anderen?“ frage ich überrascht, als ich die Tür öffne. „Noch zu müde von der Reise...“ sagt der erste. „Noch krank...“ sagt der zweite. Und der dritte: „Aber wir drei sind hier!“ „Kommt herein!“ Trotz ihrer frisch gewaschenen, prachtvollen Kleider sehen die drei sehen erschöpft aus nach der langen Fahrt, gehen nur langsam in meine Wohnung. Der Hund freut sich wie immer über Besuch, lässt sich streicheln und geht dann wieder auf sein Kissen. Ein paar Lebensmittel habe ich immer im Haus und ein Eintopf geht spontan.


Als die Suppe in den Tellern dampft, essen sie mit großem Hunger. Ich spüre, dass sie noch nicht reden können oder reden wollen, über das, was ihnen begegnet ist auf der Reise, die fast ein halbes Jahr gedauert hat.


Erst beim Kaffee im Wohnzimmer wage ich zu fragen: „Und?“

Die drei sehen sich an. „Es war nicht leicht, aufzubrechen,“ beginnt Kaspar. „Wir hatten ja nur den Stern. Und eine Ahnung davon, dass sich die Dinge vielleicht endlich zum Guten ändern in dieser Welt voller Gefahr und Bedrohungen.“

„Der Weg war so lang und mühsam. Wir waren oft kurz vorm Umkehren“, seufzt Melchior. „aber dann war da jeden Morgen die süß schmerzende Sehnsucht nach dieser Liebe, die alles übersteigt und uns heil macht.“ „Dann sind wir doch weitergezogen!“ sagt Balthasar. „Wir wollten doch unbedingt das Kind sehen!“


„Und landeten erst mal bei diesem Herodes!“ fällt Kaspar ein. „Ja, Herodes – das war was!“ Melchior atmet schwer. Sie erzählen aufgeregt und durcheinander wie sie mitten hineingeraten sind in eine tödliche Intrige. Der Einflüsterer Herodes. Ein freundlicher Herr, gut gekleidet. Mit scheinbar denselben Absichten, wie sie. Und dann der Traum nach der Begegnung mit dem Kind: Geht andere Wege als die, die die Mächtigen von Euch verlangen. Gerettet wurde das Kind. Doch nicht die anderen Kinder in Bethlehem. Ermordet auf Befehl von Herodes. Dem freundlichen, gut gekleideten Herr. Mit tödlich konsequentem Willen zur Erhaltung der eigenen Macht.

Wir schweigen.

„Und das Königskind?“ frage ich schließlich. „Deswegen seid ihr doch überhaupt losgezogen! Hat es sich gefreut über die Geschenke?“ „Das Kind… es ist schwer zu beschreiben, was da geschehen ist!“ sagt Melchior. Kaspar seufzt: „Wir haben uns so viel gedacht bei unseren Geschenken! Gold für den König, Weihrauch für die Göttlichkeit und Myrrhe für den sterblichen Menschen...“ „Und dann kam alles ganz anders,“ fällt Balthasar ein. „Als wir all diese Reichtümer vor dem Kind abgelegt hatten, ahnten wir, dass das gar nicht das Wichtigste war!“ Staunende Stille meinerseits.

Melchior beugt sich vor, als wenn er mir ein Geheimnis mitteilen wollte: „Wichtig ist das, was wir auch für dich wieder mitgebracht haben!“ „Ihr habt mir etwas mitgebracht?“ Ich bin erstaunt, denn ich sehe weder Geschenkpapier noch Schleifen im Raum.

„Es scheint gar nicht so viel zu sein“, meint Kaspar. „Und das hat uns doch reicher gemacht als vorher“ Und Balthasar: „Es ist nur ein dünnes Gespinst des Glaubens daran, dass es einen Halt gibt im Leben jenseits der zerbrechlichen Dinge.“

Kaspar lächelt: „Und wir haben Hoffnung mitgebracht. Hoffnung, die zwar keinen guten Ausgang der Dinge garantiert. Aber eine Hoffnung, die uns vertrauen lässt, dass es sinnvoll ist, was wir tun.“

„Seitdem uns das Kind angesehen hat, wir wissen nun, wie sehr wir Menschenkinder geliebt werden. Einfach so – ohne dass wir etwas tun müssen dafür!“ erklingt Melchiors mit warme Stimme.

Lange sehen wir uns an. Bis Kaspar sagt: „Du siehst auch müde aus nach den Feiertagen. Wir gehen jetzt!“ „Aber ich kann doch jetzt nicht einfach schlafen gehen, wenn ihr schon mal hier seid...“

„Wisst ihr noch wie wunderbar Mirjam gesungen hat, als der Kleine nicht einschlafen wollte?“ Balthasar beginnt, eine Melodie zu summen und die beiden anderen fallen ein. Sie singen ein hebräisches Lied mit wunderbarer Melodie und meine Augenlider werden schwer. Zuletzt höre ich noch das Rascheln der schweren Kleider meiner Freunde, vermeine einen Duft wahrzunehmen nach Weihrauch und Myrrhe.

Als ich die Augen öffne, sieht das Wohnzimmer wieder aus wie an fast jedem Tag des Jahres. Doch im Licht der untergehenden Sonne liegt ein Stück Sternengold. In mir wächst das Wissen: Weihnachten ist nie vorbei, wenn auch ich mich immer wieder auf die Suche mache nach Gott.

Und so ziehe ich wieder in die Wüste des Lebens,

stürmende Wolken, wirbelnder Sand,

irgendwo hinten in der Karawane.

Der Stern zieht mich voran,

die Sehnsucht nach ein wenig Glanz für mein Leben.

Die Taschen meines weiten Mantels sind voll:

mit Wüstenstaub wie mit Himmelskram.

Ich ziehe durchs Leben und brauche mich nicht zu schämen.

Weder für meine Sehnsüchte und Ängste,

noch für die Schrammen, die die Wüstendornen

schon in mein Herz gekratzt haben.

Denn unter dem Stern ist ein König,

der trägt eine Krone von Dornen

und teilt die Myrrhe mit mir.

Der streicht mir Balsam auf die wunde Seele

und flüstert mir zu:

Fürchte dich nicht.

Was auch immer dein Herz braucht,

ich bin da

und segne dich.


Amen

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