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Die 7 wichtigsten Bücher für mich

  • Autorenbild: Tim Kretschmer-Schmidt
    Tim Kretschmer-Schmidt
  • 15. Nov. 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 22. Nov. 2020

Man kann einen Menschen kennenlernen über den Lebenslauf. Über die Hobbys. Über das, was er* oder sie* gerne isst (das kommt später). Oder eben über die für sie/ihn wichtigsten Bücher im Leben. Hier sind meine wichtigsten Bücher.


Natürlich ist diese Auswahl vollkommen subjektiv. Auch die Anzahl- Sieben ist einfach die Zahl der Vollendung. Aber - ihr lernt mich vielleicht ein bisschen kennen. Es geht hier auch nur um Bücher. Gedichte und Theaterstücke krieje mer später!

  1. Krabat von Otfried Preußler (erschienen: 1971 - gelesen: 1982) Die Geschichte vom Müllerjungen, der das zaubern lernt in der "Schwarzen Mühle" hat mich schon fasziniert als meine eigene Handschrift einigermaßen flüssig und individuell wurde. Denn wer würde nicht gerne zaubern können. Dem fiesen Sportlehrer die Hose weg zum Beispiel. Einerseits beneidete ich also Krabat, auf der anderen Seite sah ich ja den Preis, den die Gemeinschaft der Mühle dafür bezahlen musste: jede Neujahrsnacht wurde einer von ihnen "dem Gevatter" geopfert. Dass Preußler u.a. damit seine Erfahrung bei der Hitlerjugend verarbeitete habe ich erst sehr viel später erfahren. Preußlers Stil, die feine Charakterzeichnung jedes Müllerburschen, den Hintergrund der Lausitzer Sage um Krabat läßt mich immer wieder gerne zu dem Buch greifen - vor allem, wenn ich schlecht einschlafen kann.

  2. "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" von James Krüss (erschienen 1962 - gelesen 1976) Mein erstes "richtiges" Buch - mit dickem Einband, ohne Bilder und sehr viel Text. Das Lesen in der 2. Klasse machte zwar schon Fortschritte, aber es war viel schöner, wenn Vater Samstag morgens ins Bett kam und vorlas. Auch hier wieder ein "magisches Element" und ein hoher Preis - Timm Thaler gewinnt jede Wette, verkauft dafür aber sein Lachen an den schmierigen und geheimnisvollen Baron Lefuet. Was bringt alles Gut und Geld, wenn man nicht mehr fröhlich sein kann? Oder wie meine Recklinghäuser Omma immer sagte: "Wennze alles verlierst im Leben - den Humor musste behalten. Sonst wird datt nix!" Die Weihnachtsserie mit Thomas Ohrner 1979/80 fand ich damals spannend, heute aber eher in ihrer krampfhaften 80er Jahre Modernisierung schaurig. Bis auf Horst Frank, der den Lefuet sehr überzeugend spielt. Auch die Verfilmung von Andreas Dreesen 2017 konnte mich leider nicht überzeugen. Dreesen setzt das Thema charmant um, aber bleibt wenig bei der literarischen Vorlage. Aber vielleicht ist es auch gut, dass Timm Thaler Buch bleibt.

  3. "ES" von Stephen King (erschienen 1986 - gelesen 1988) Ich wollte einfach ausprobieren, ob Stephen King wirklich so schaurig war, wie immer behauptet wurde. Also kaufte ich ES, um es an dunklen Winterabenden in der einsamen Bude während meines Bonner Krankenhauspraktikum zu lesen. Und wahrlich, wahrlich - so manchen Frühdienst war ich schon müde, weil ich ES abends gar nicht aus der Hand legen konnte. Natürlich habe ich mich gegruselt - viel mehr aber faszinierte mich die Kraft der Freundschaft, die imstande war, die eigenen Schwächen und Ängste zu überwinden und ES zu besiegen.

  4. "Der Zauberberg" von Thomas Mann (erschienen 1924 - gelesen 1985) Nun wirds "klas-schisch" - bei Thomas Mann habe ich gelernt, dass ein Roman keine große Handlung braucht, um spannend zu sein. Wirklich ereignet sich ja nicht viel in den sieben Jahren, in denen Hans Castorp im schweizer Lungensanatorium "Berghof" weilt. Ausser Husten, Temperatur messen, essen und ab und zu feiern. Faszinierend dabei ist das Personal der Hustenburg, das Thomas Mann hier fein ziseliert und in seinem unnachahmlich ironischen Stil mit den existentiellen Themen von Liebe und Tod, Krankheit und Dekadenz, Zeit und Zeitgeschichte konfrontiert. Eine Bildungsreise eben nicht nur für Hans Castorp, sondern auch für mich! Mit 16 Jahren las ich das Ding zum ersten Mal innerhalb von 14 Tagen in den Ferien. Andere haben in dem Alter zum ersten mal gekifft - mein erster Rausch war dieser Schinken! Kiffen kam dann mit 18...

  5. "Jakob, der Lügner" von Jurek Becker (erschienen 1969 - gelesen 1987) Es heisst ja, dass die Lektüre eines Buches im Deutschunterricht den Text ein für alle mal verdirbt und man das entsprechende Buch nie wieder aus dem Regal holt. Wenn man es nicht gleich nach der Klausur ins Altpapier entsorgt. Jakob ist mir im Deutschunterricht begegnet und lieber Begleiter geworden. Nicht nur in seiner zauberhaften Charakterzeichnung, sondern auch um weil seine einfache, grosse Seele in der tödlichen Falle eines namenlosen Ghettos mit der Frage ringt: "Darf ich Lügen, um meinen Mitmenschen Hoffnung zu schenken?" Das Grauen der Shoah wird hier sprachlich leise, aber umso intensiver deutlich. Genauso wie der Alltag der Menschen im Ghetto - Menschen, die im Angesicht von Verfolgung und Vernichtung nichts mehr haben. Aber als Letztes die Hoffnung verlieren möchten.

  6. "Das war mein Leben" von Ferdinand Sauerbruch (Ghostwirter: R. Berndorff) (erschienen 1953 - gelesen 1983) Natürlich bestärkt einen Jugendlichen, der gerne Arzt werden möchte, so ein Buch. Ein leicht knurriger, aber insgesamt symapthischer und erfolgreicher Chirurg beschreibt hier in locker aneinander gestrickten Anekdötchen sein erfolgreiches Leben von seiner Jugend bis zur Emeritierung. Durchaus auch Spiegel der Zeitgeschichte wird aber die Zeit des Nationalsozialismus zwar nicht ganz übersprungen, aber dennoch recht nachkriegsfreundlich übergangen. Erst später erfuhr ich in einer Vorlesung in Medizingeschichte, dass diese Biographie zahlreiche belletristische Schönheitsoperationen erfahren hat. Sicher war Sauerbruch einer der einflussreichsten und bedeutensten Chirurgen des 20. Jahrhunderts - auch wenn viele seiner Methoden heute veraltet sind. Seine rolle im Nationalsozialismus war dennoch alles andere als eindeutig - weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Ein einflussreiches für mich Buch deshalb, weil es mich gelehrt hat Biographien und gerade Autobiographien immer sehr kritisch zu lesen und gegebenenfalls gegenzulesen.

  7. "Die Bibel" von einem größtenteils unbekannten Autor:innenkollektiv (gelesen ab ca. 1973 bis heute) Na klar, hör ich es tönen, für dich als Theologe ist es natürlich das Wichtigste... Und ich so: eines der Wichtigsten ja! Denn ehrlich gesagt - selbst wenn man das Ding als kompletter Atheist liest, bleibts ein Leseabenteuer. Zusammengetragen in einem Zeitfenster von über 1500 Jahren in einer vorderorientalischen Gesellschaft steht sicher viel Unverständliches und nicht mehr Nachvollziehbares in diesem Wälzer. Aber überträgt man diesen großen Fundus von Geschichten gekonnt ins hier und heute, geht es immer um die "conditio humana" - um das Leben des Menschen, sein Scheitern, Siegen, Hoffen, Lieben, Glauben im Angesicht Gottes. Bis auf die Rahmenbedigungen (Kleider, Essgewohnheiten, Fortbewegungsmittel etc.) hat sich da so viel nicht geändert. Ich bin weit davon entfernt, dieses Buch als unfehlbarer, widerspruchsfreies und authentisches "Wort Gottes" anzubeten und zu vergötzen. Im Gegenteil: wenns nicht so bunt wäre und vielfältig in seinen Aussagen über Gott und die Welt und den Menschen wärs auch als Theologe nicht mein Buch. So bleibts aber spannend und immer wieder neu zu entdecken, zu lesen und auch zu beherzigen.



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© 2020 Tim Kretschmer-Schmidt

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